Was will die Nato im Pazifik?
von Oberst (a.D.) Ann Wright,* Hawaii
(21. Juni 2024) Während die Vereinigten Staaten ihre militärische Konfrontation mit China durch neue Militärstützpunkte auf Guam und den Philippinen sowie durch weitere Land-, See- und Luftübungen mit Ländern im asiatisch-pazifischen Raum verstärken, finden vom 26. Juni bis zum 2. August 2024 im mittleren Pazifik die weltweit grössten Seekriegsübungen statt – und die Nato ist mittendrin.
29 Staaten beteiligen sich an der Seekriegsübung Rim of the Pacific (RIMPAC) [Anrainer des Pazifiks] 2024, an der 40 Schiffe, 3 U-Boote, über 150 Flugzeuge, 14 nationale Landstreitkräfte und 25 000 Soldaten auf der Insel Oahu und in den Gewässern vor Hawaii teilnehmen werden.
Ein Drittel stammt nicht aus der Region, sondern aus Nato-Europa
Unglaublich ist, dass ein Drittel der Länder, die Schiffe, U-Boote und Flugzeuge in die Mitte des Pazifiks bringen, nicht aus Asien und dem Pazifik stammen, sondern aus Europa – allesamt Mitglieder der North Atlantic Treaty Organization (NATO).
Die europäischen Nato-Mitglieder Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande und Grossbritannien nehmen zusammen mit den USA und Kanada als Vollmitglieder am RIMPAC teil.
Neben den Vollmitgliedern der Nato sind fünf Länder im Pazifik «Partner» der Nato – Australien, Japan, Neuseeland, die Republik Korea und Kolumbien. Sie alle werden mit Schiffen, Flugzeugen und Personal am RIMPAC teilnehmen.
Israel nimmt teil, trotz Völkermord – was für die USA vollkommen akzeptabel ist
Weil es Waffen der USA und der Nato-Länder an Palästinensern im Gazastreifen und im Westjordanland getestet hat, hat Israel von der Nato einen Sonderstatus erhalten und unterhält ein Büro im Nato-Hauptquartier. Die USA haben Israel weiterhin eingeladen, mit einem Schiff und Personal auf Hawaii am RIMPAC teilzunehmen, obwohl der israelische Völkermord im Gazastreifen mit über 36 000 getöteten Palästinensern, Tausenden von Toten in den Trümmern der zerstörten Gebäude und über 100 000 Verletzten weitergeht.
Die Straffreiheit Israels in seinem Krieg gegen die Palästinenser hat einen negativen Einfluss auf die am RIMPAC teilnehmenden Militärs, und die Komplizenschaft der USA mit dem Völkermord sendet ein Signal an andere Länder, dass die Verletzung internationaler Gesetze und Normen in der «regelbasierten Unordnung» der USA durchaus akzeptabel ist.
Weitere Länder, die Schiffe, Flugzeuge und Militärpersonal zum RIMPAC entsenden, sind Brasilien, Brunei, Chile, Ecuador, Indien, Indonesien, Malaysia, Mexiko, Peru, die Republik der Philippinen, Singapur, Sri Lanka, Thailand und Tonga.
Nato-Staaten entsenden Schiffe zu den US-Navigationsoperationen
In den vergangenen zwei Jahren haben Nato-Staaten Schiffe in den westlichen Pazifik entsandt, um die US-Navigationsoperation «Freiheit der Meere» im Südchinesischen Meer zu unterstützen. Im Jahr 2021 führten die britische Flugzeugträgerkampfgruppe HMS Queen Elizabeth und eine amerikanische Überwassereinsatzgruppe Übungen im Südchinesischen Meer durch. Das britische Verteidigungsministerium bezeichnete die Einsatzgruppe als die grösste Konzentration von See- und Luftstreitkräften, die seit einer Generation das Vereinigte Königreich verlassen hat.1 Im Mai 2024 entsandte Deutschland zwei Kriegsschiffe in den Indopazifik,2 um die Freiheit der Schifffahrt und die freie Durchfahrt zu gewährleisten, da die Spannungen mit China wegen des Status von Taiwan und der umstrittenen Inseln im Südchinesischen Meer zunahmen.
RIMPAC zerstört vieles auf dem Land und im Meer
Die RIMPAC-Kriegsübungen schaden dem Meeresleben in den hawaiianischen Gewässern. Wale, Delfine und Fische werden durch die Schiffe und ihre Waffen geschädigt. Schiffe werden durch Bomben, Raketen und Torpedos versenkt. Tiere an Land werden bei militärischen Strandangriffen getötet. Der Truppenübungsplatz Pohakuloa auf der Insel Hawaii, der grösste Truppenübungsplatz der USA im Pazifik, wird von Flugzeugen bombardiert, die teilweise Tausende von Kilometern fliegen, um ihre Bomben abzuwerfen, Artilleriegranaten einzusetzen und Truppen zu trainieren. Menschenrechtsaktivisten sind sehr besorgt über den Menschenhandel durch militärische Truppen in Touristengebieten auf Hawaii, wenn Tausende von Militärs aus der ganzen Welt zum RIMPAC anreisen.
Proteste gegen Militarisierung und Kontaminierung des Pazifiks
Die Bewohner der meisten Länder des Pazifiks stellen die Notwendigkeit der enorm teuren und zerstörerischen RIMPAC-Kriegsübung in Frage. Webinare, soziale Medien, Konferenzen/Bürgerversammlungen3 und Proteste finden von San Diego, Kalifornien im östlichen Pazifik, über Hawaii und Guam bis zu den Philippinen, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland statt.
Auf Hawaii haben Tausende von Einwohnern von Oahu immer noch mit den Auswirkungen der Verschmutzung durch die riesigen unterirdischen Red Hill-Treibstofftanks zu kämpfen, aus denen 19 000 Gallonen giftigen Treibstoffs ins Trinkwasser gelangten,4 sowie auch ein Leck von 27 000 Gallonen im Jahr 2014. Mehrere Klagen gegen das US-Militär wegen langfristiger Gesundheitsschäden bei denjenigen, die das kontaminierte Wasser zu sich genommen haben, sind bei Bundesgerichten anhängig. Das Militär argumentiert, dass die Kontamination keine weitreichenden Schäden verursacht habe,5 obwohl Familienmitglieder von Militärangehörigen wegen schwerer Reaktionen auf das mit Treibstoff versetzte Trinkwasser ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
Darüber hinaus fordern die Einwohner von Hawaii die Rückgabe von 29 000 Hektar staatlichem Land,6 das vor 65 Jahren für … 1 Dollar an das US-Militär verpachtet wurde!!! Der Pachtvertrag für diese Gebiete auf Oahu und Big Island endet 2029.
Gemeinden in der Nähe von US-Militärstützpunkten im gesamten Pazifik stellen fest, dass ihre Wasserquellen durch den vom US-Militär verwendeten Feuerlöschschaum kontaminiert sind, da dieser PFAS enthält, eine Version der sehr problematischen sogenannten «Ewigkeitschemikalien». Auf Stützpunkten auf Okinawa in Japan7 und Südkorea, wo die USA seit dem Zweiten Weltkrieg und dem Koreakrieg Militärstützpunkte unterhalten, wurde eine hohe Kontamination durch PFAS festgestellt.
Konferenz NEIN zur Nato – JA zum Frieden,
6.–7. Juli 2024 in Washington DC, USA
Die Koalition «Nein zur Nato – Ja zum Frieden»8 wird vom 5. bis 11. Juli 2024 in Washington DC, ein Gegengewicht zu den Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen der Nato bilden. Die Staatsoberhäupter der 32 Nato-Mitgliedsstaaten sowie der «Partner-» und «Möchtegern-» Staaten werden vom 9. bis 11. Juli im Washington Convention Center zusammenkommen.
Vor der Ankunft der Staatsoberhäupter wird «Nein zur Nato – Ja zum Frieden» am 6. Juli eine eintägige Konferenz mit Rednern aus der ganzen Welt abhalten.9 Am 7. Juli findet eine Kundgebung auf dem Lafayette Square vor dem Weissen Haus statt. Vom 9. bis 11. Juli werden sich besorgte Bürger im Washington Convention Center einfinden.
Warum nicht Diplomatie anstelle militärischer Konfrontation?
Anstatt Sicherheits- und Wirtschaftsfragen mit diplomatischen Mitteln zu lösen, ist RIMPAC eine von Hunderten von US-gesponserten militärischen Kriegsübungen, die gefährliche Konfrontationen in Asien und im Pazifik anheizen.
Es ist an der Zeit, dass die US-Bürger von den gewählten Beamten/Politikern verlangen, dass sie gewaltfreie Methoden zur Lösung von Konflikten anwenden. Wir wissen jedoch, dass die Gewaltproduzenten, die Waffenhersteller, die den Politikern Geld in die Taschen spülen, der Gewaltlosigkeit sehr ablehnend gegenüberstehen. Solange wir nicht diejenigen wählen, die für eine friedliche Lösung von Konflikten eintreten, anstatt Krieg zu führen, werden wir weiterhin mit einer immer gefährlicheren Welt konfrontiert sein.
Quelle: https://www.codepink.org/natopacific, 4. Juni 2024
(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)
4 https://www.hawaiipublicradio.org/local-news/navy-red-hill-fuel-timeline
5 https://www.stripes.com/theaters/asia_pacific/2024-04-29/redhill-trial-civil-suit-13702676.html
7 https://www.militarypoisons.org/latest-news/us-military-contaminates-okinawa-with-pfas