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Welche Art Krieg bereiten die USA gegen Russland vor?

von Thomas Röper*

(18. April 2021) Im russischen Fernsehen gab es einen Kommentar, der nachdenklich und besorgt macht, denn die Logik ist nicht von der Hand zu weisen. Die neue US-Regierung steuert auf einen Krieg zu; sie spielt mit dem Feuer. Und zwar in Europa.

Ich berichte immer wieder darüber, wie sich die Lage, in der Ukraine politisch, aber auch im Donbass militärisch, seit dem Amtsantritt von Joe Biden als US-Präsident verschärft. Alles deutet auf eine bevorstehende ukrainische Offensive hin, und in Kiew werden gleichzeitig die Opposition und die letzten regierungskritischen Medien ausgeschaltet. Aus den USA kommen indessen immer neue Waffenlieferungen in der Ukraine an. Ich berichte darüber regelmässig in meinen «Ukraine-Updates», das letzte finden Sie hier.

Von all dem hört man kein Wort in den westlichen Medien. Im Westen wird nicht einmal gemeldet, dass Kiew sich bereits offen vom Minsker Abkommen verabschiedet hat. Und dass die westlichen Staaten inklusive Deutschland bei der OSZE vor kurzem gegen eine einfache Resolution gestimmt haben, in der zur Umsetzung des Minsker Abkommens aufgerufen wurde, haben die «Qualitätsmedien» auch nicht berichtet.

Der Westen wendet sich auch bereits offen von dem Friedensplan für den Donbass ab. Aber der neue heftige Krieg soll für die Öffentlichkeit im Westen völlig überraschend kommen, und natürlich werden die Medien Russland beschuldigen, den Krieg vom Zaun gebrochen zu haben.

In der Sendung «Nachrichten der Woche» des russischen Fernsehens hat der Moderator in einem Kommentar eins und eins zusammengezählt, die möglichen Szenarien genannt, und ich habe das übersetzt.

Beginn der Übersetzung des Fernsehkommentars:

In der Sendung «Nachrichten der Woche» wollen wir nicht nur über Ereignisse, sondern auch über Phänomene berichten. Sich Phänomene oder Aneinanderreihungen von Vorfällen oder Worten anzuschauen halten wir schon deshalb für wichtig, um auf zukünftige Ereignisse vorbereitet zu sein. Schliesslich werden auch Ereignisse vorbereitet. Meiner Meinung nach bereitet der Westen jetzt nicht mehr und nicht weniger als einen Krieg gegen uns vor.

Das Ausmass des Krieges ist noch nicht wirklich klar, aber Amerika hofft, dass es erstens das Ausmass eines militärischen Konflikts kontrollieren kann. Zweitens hofft es, dass ein Krieg, wie in früheren Zeiten, das Territorium der Vereinigten Staaten nicht berühren wird. Und drittens hoffen die USA, dass ein Krieg ihnen, wie üblich, Vorteile bringen wird. Zumindest war das in den zwei Weltkriegen der Fall, nach denen Amerika, das nur wenig eigenes Blut vergossen hat, im Reichtum schwamm, während sowohl Verbündete als auch Gegner in einer viel schlechteren Position waren.

Nun sieht es so aus, als ob Amerika etwas Ähnliches vorhat. Und es gibt ein Phänomen, das das ziemlich überzeugend aufzeigt. Wir sprechen heute über die Worte, die einen Krieg vorbereiten, die Gedanken von der Unvermeidlichkeit eines Konflikts in die Köpfe pflanzen und bereits im Voraus die Schuldigen nennen. Diese Worte hört man seit dem Einzug der neuen Regierung in den Vereinigten Staaten viel häufiger. Und in Europa hört man ihr Echo.

«Russland ist ein gefährlicher Nachbar!» Das sagte der EU-Chefdiplomat Josep Borrell vor Beginn des Nato-Ministertreffens in Brüssel. Übrigens, vor kurzem hatte sich Borrell in Moskau noch anständig verhalten, aber nun hat er in Anwesenheit des US-Aussenministers in Brüssel diesem alles nachgeplappert.

Und das ist Anthony Blinken, der US-Aussenminister, in Brüssel. «Wir werden entschieden gegen die russische Aggression vorgehen, gegen Aktionen, die unsere Bündnisse untergraben», sagte der Politiker.

Von welcher russischen Aggression spricht Blinken? Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg entschlüsselt das Rätsel: «Trotz jahrelangen Drucks und Bemühungen, Russland in einen konstruktiven Dialog einzubinden, verstärkt Russland das Muster seines repressiven Verhaltens innerhalb des Landes und sein aggressives Verhalten ausserhalb seiner Grenzen. Die Nato-Staaten haben auf Russlands Falschinformationen und Propaganda, seine Versuche, Wahlen zu beeinflussen, Cyberangriffe und den Einsatz chemischer Waffen gegen politische Gegner sowohl innerhalb als auch ausserhalb Russlands hingewiesen.»

Interessanterweise ist das alles unbegründet, aber es wird so oft wiederholt, dass man sich daran gewöhnen soll. Und dann ist da noch der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jake Sullivan: «Wir glauben, dass den Beziehungen zu Russland eine schwierige Zeit bevorsteht. Sie werden vor ernsten Herausforderungen stehen. Diese verlangen, dass Amerika seine Interessen verteidigt.»

In der Psychologie gibt es das Konzept der «Projektion»; wenn ein Mensch seine Ängste, seine Wünsche oder seine Absichten von sich auf andere projiziert und so tatsächlich einem anderen das zuschreibt, was er selbst im Herzen hat. Das ist genau die Art von Projektion, die Wladimir Putin als Reaktion auf Joe Bidens Beleidigungen mit einer Geschichte aus der Kindheit verglichen hat: Wie Du andere nennst, so bist Du selbst. Dasselbe gilt jetzt auch für die «Aggression» Russlands, von der wir aus dem Westen so oft und obsessiv hören. Und meiner Meinung nach hat Nikolai Patruschew, Sekretär des russischen Sicherheitsrates, die amerikanische Rhetorik korrekt seziert.

«Mein amerikanischer Kollege Jake Sullivan sagt den USA schwierige Tage in den Beziehungen zu Russland voraus. Das ist nicht die erste solche Aussage von US-Offiziellen. Wir kennen das, aber ich möchte betonen, wenn sie das vorhersagen, dann planen sie das auch. Und wenn sie es planen, können sie es umsetzen. Aber dann werden sie für die Massnahmen verantwortlich sein, die darauf folgen», sagte Patruschew.

Und als Fortsetzung US-Verteidigungsminister General Lloyd Austin im Senat: «Das Hauptziel der US-Beziehungen mit der Russischen Föderation im Bereich der Sicherheit sollte sein, Russland von Aktionen gegen die lebenswichtigen Interessen der Vereinigten Staaten abzuschrecken, einschliesslich durch den Schutz unserer Verbündeten vor militärischer Aggression.»

Wieder die russische Aggression. Gleichzeitig bereitet Amerika Aggressionen vor. Genau jetzt hängen im Schwarzen Meer zwei amerikanische Raketenkreuzer herum. Was haben die hier verloren, auf der von ihnen aus gesehen anderen Seite der Welt? Und insgesamt hat die Tätigkeit der NATO-Marine vor unseren Küsten im letzten Jahr um ein Vielfaches zugenommen. Diese Daten wurden vom Chef des Generalstabs Waleri Gerassimow genannt, und er fügte hinzu, dass «die Zahl der Flüge der strategischen US-Luftwaffe in der Nähe der russischen Staatsgrenze auch gestiegen ist.» Was die Aufklärungsflugzeuge betrifft, so haben sich ihre Besuche bei uns im letzten Jahr um einen Drittel erhöht. Das heisst, die Worte, die den Krieg vorbereiten, sind nicht einfach nur Worte.

China steht ungefähr vor dem gleichen Problem. Auf verbale Anschuldigungen gegen Peking wegen Repression und Aggression folgt eine verstärkte US-Militärpräsenz in der Nähe der chinesischen Grenzen. Zusätzlich zu den praktisch ständigen Militärübungen im Gelben Meer haben die Amerikaner den Zerstörer Rafael Peralta permanent in Japan stationiert, und im März wurde berichtet, dass amerikanische Raketen auf den Inseln des Ostchinesischen und Südchinesischen Meeres stationiert werden sollen, natürlich für den Fall einer «potenziellen chinesischen Aggression.» Die Raketen bedeuten neue US-Raketenbasen auf den Inseln. Das Dokument darüber wurde bereits dem Kongress zur Genehmigung übermittelt. Das beantragte Budget für das Projekt beläuft sich auf 27,4 Milliarden Dollar. Nicht schlecht.

All das zusammen bedeutet, dass Russland und China enger zusammenrücken und nicht nur Rücken an Rücken stehen sollten, sondern aktiver zusammenarbeiten und ein globales Konstrukt für den Frieden formen müssen.

Hören Sie sich an, was der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa und Oberbefehlshaber der NATO-Truppen in Europa, General Tod Walters, sagt: «Russland begeht böswillige Handlungen, die darauf abzielen, die ganze Welt zu destabilisieren. Viele dieser Aktionen werden in Europa begangen. Russland stellt nach wie vor eine Bedrohung für die Existenz der Vereinigten Staaten selbst und unserer europäischen Verbündeten dar.»

Und das nach der Nato-Erweiterung nach Osten bis zu unseren Grenzen unter Bedingungen, bei denen das Verteidigungsbudget des «aggressiven» Russlands einen Siebzehntel des amerikanischen beträgt! Und der Militärhaushalt der Nato-Länder zusammen, die so demonstrativ vor Russland zittern, beträgt mehr als eine Billion Dollar pro Jahr, das ist 23-mal mehr als unserer! Ist das Ausmass der Korruption dort so unvorstellbar gross, oder ist das ein unvorstellbares Ausmass an Paranoia? Höchstwahrscheinlich steckt in diesen unglaublichen Zahlen der Militärbudgets unserer potenziellen Freunde die Vorbereitung auf einen Krieg.

Werden die Nato-Länder gegen Russland kämpfen? Direkt? Nein. Ihre Staaten und ihre Zivilgesellschaften sind dafür nicht in dem nötigen Zustand. Alle sind schlaff und hilflos. Covid hat das bestätigt. Mit dieser klaren Bedrohung, bei der die Zahl der menschlichen Opfer in den Nato-Ländern bereits weit über einer Million liegt, hat sich der Nato-Mechanismus als bedeutungslos erwiesen. Dabei war das ein Test für die Fähigkeit, ihre Völker zu schützen. Aber statt Schutz und Solidarität haben wir gegenseitigen Diebstahl von Masken, demütigende Zankereien um Impfstoffe und das Schüren anti-russischer Ängste sogar gegen Sputnik-V gesehen.

Aber Amerika muss Russland – notfalls auch mit Krieg – eindämmen. Bisher sieht alles – auch die Versprechen für Unterstützung – so aus, als würde man die Ukraine zum Abschlachten schicken – gegen den Donbass. Die Schuld an dem Krieg wird man Russland geben, und man spricht bereits im Voraus davon, «Russland für die Aggression zur Verantwortung zu ziehen» und so weiter. Und dann kommen neue Sanktionen und so weiter. Das ist jetzt der Plan in Amerika. Die Ukraine ist in dem Plan nur Verbrauchsmaterial für die Zündung.

Quelle: Anti-Spiegel vom 29. März 2021

* Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt seit über 15 Jahren in Russland und spricht fliessend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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