Schweiz-EU
Die Initiative «Kompass Europa»
von Félicien Monnier,* Lausanne
(29. November 2024) Nachdem ein erster Entwurf des Rahmenabkommens gescheitert war, kündigte der Bundesrat vor einem Jahr das Ende der exploratorischen Phase seiner Gespräche mit der Europäischen Union an.
Am 2. Februar 2024 nahm die Konferenz der Kantonsregierungen einstimmig, mit Ausnahme der Stimmen von Schwyz und Nidwalden, die Eckpunkte des Berichts des Bundesrats an. Obwohl die Kantone die Wiederaufnahme der Verhandlungen nachdrücklich begrüssten, äusserten sie Vorbehalte gegenüber den künftigen Abkommen über Energie, Gesundheit und staatliche Beihilfen, da sie im Verdacht standen, die kantonale Souveränität zu verletzen. Möge diese föderalistische Wachsamkeit auch in Zukunft Bestand haben.
In der Folge entbrannte eine Debatte darüber, ob dieses künftige Abkommenspaket dem doppelten Mehr des Volkes und der Kantone unterstellt werden sollte. Wir sprachen uns für eine solche Abstimmung aus,1 obwohl die Bundesverfassung dies nicht vorschreibt. Denn diese Abkommen implizieren keinen EU-Beitritt unseres Landes. Dabei vergisst man jedoch gerne die Dynamik der schrittweisen De-facto-Integration – die vor dreissig Jahren nach der Ablehnung des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) begann –, in die sie eingebettet sind.
Am 21. Juni 1999 schloss die Eidgenossenschaft das Freizügigkeitsabkommen (FZA) für Personen mit der Europäischen Union ab. Seine «Guillotine-Klausel» sieht vor, dass eine Kündigung des Abkommens automatisch die Kündigung der sieben anderen Abkommen nach sich zieht, die die sogenannten «Bilateralen I» bilden.
Kompass-Initiative
für eine direkt-demokratische und wettbewerbsfähige Schweiz – keine EU-Passivmitgliedschaft
Mit unserer Volksinitiative setzen wir uns dafür ein, dass
-
- unsere direkte Demokratie erhalten bleibt
- ausschliesslich die Schweizer Bürgerinnen und Bürger und das Parlament
die Gesetze in unserem Land erlassen - unsere Standortvorteile gesichert werden
- die Schweiz auch in Zukunft souverän, wettbewerbsfähig und erfolgreich ist!
info@kompass-initiative.ch
Diese Vorrangstellung der Personenfreizügigkeit zeigt, dass unsere Beziehungen zur EU nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer Natur sind. Der austauschbare und mobile europäische Arbeitnehmer symbolisiert ein Europa kulturell homogener Bürger. Der Genferseeraum erfährt diese Homogenisierung tagtäglich.
Der Beitritt zu den Schengen- und Dublin-Abkommen im Jahr 2008 markierte eine weitere Etappe: den Beitritt zu einem Mechanismus der automatischen Rechtsübernahme, der ebenfalls durch eine «Guillotine-Klausel» sanktioniert wird. Das bedeutet, dass im Falle einer Weigerung der Schweiz, eine der Entwicklungen zu übernehmen, das gesamte Abkommen hinfällig wird. Wir haben einige dieser Änderungen in Referenden bekämpft. So zum Beispiel im Jahr 2019 die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie. Während der gesamten Abstimmungskampagne drohte der Bundesrat mit dem Risiko der Kündigung der Schengen- und Dublin-Abkommen durch die EU.
Die Bewegung in Richtung Integration beschleunigt sich zusehends. Die institutionellen Mechanismen des Abkommenspakets wären ein weiterer Schritt. Damit laufen wir Gefahr, dass es zu einer kognitiven Dissonanz zwischen den Erwartungen Brüssels und der Wahrnehmung des eigenen Handlungsspielraums durch die Schweizerinnen und Schweizer kommt.
Einerseits werden sich die Technokraten der Europäischen Kommission an der Anzahl der Richtlinien, die der Bund in Schweizer Recht umgesetzt hat, orientieren, um zu dem Schluss zu kommen, dass wir uns der Union annähern. Weil sie sich freiwillig der Erpressung durch Kündigungsgefahr beugen – wie es bei der Initiative für den Ausstieg aus dem Freizügigkeitsabkommen im Jahr 2020 der Fall war – werden sich Volk und Kantone andererseits noch immer durch die direkte Demokratie geschützt wähnen.
Die derzeitigen verfassungsrechtlichen Instrumente scheinen uns jedoch unzureichend, um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken.
Wenn die Bilateralen III (oder besser das Rahmenabkommen II, wie die «Weltwoche» nicht ohne Grund argumentiert) der doppelten Mehrheit unterstellt würden, könnte man diesen langwierigen Integrationsprozess zur Kenntnis nehmen und ihn gegebenenfalls ablehnen.
Indem wir die verfassungsgebende Gewalt – Volk und Kantone – an der Entscheidung beteiligen, würden wir gleichzeitig anerkennen, dass diese Dynamik eine politische und institutionelle Bedeutung hat, die zwar schwerer fassbar ist als ein schlichter Beitritt, aber nicht weniger real.
Die Vereinigung «Ligue vaudoise» unterstützt daher die kürzlich von einer Gruppe deutschsprachiger Unternehmer lancierte Volksinitiative «Kompass-Europa». Sie verlangt, dass neu internationale Abkommen, die «die Übernahme wichtiger rechtssetzender Bestimmungen» vorsehen, dem obligatorischen Referendum von Volk und Kantonen unterstellt werden. Anders als die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» sieht die Kompass-Initiative keine Rückwirkungsklausel vor, die zu viele Unsicherheiten schaffen würde. Dies ist erfreulich.
Die derzeitige Ausgestaltung des Abkommenspakets würde eine Abstimmung mit dieser neuen doppelten Mehrheit erzwingen. Die Initiative verlangt vorsichtigerweise, dass ein Rahmenabkommen oder ein vergleichbares Abkommen mit der EU in jedem Fall der doppelten Mehrheit unterliegt. Die notwendigen Unterschriften müssen zügig gesammelt werden. Lassen wir den Bundesrat nicht in Versuchung kommen, auf Zeit zu spielen.
* Felicien Monnier, geboren 1988, ist Rechtsanwalt, Doktor der Rechtswissenschaften und arbeitet in einem Anwaltsbüro im Kanton Waadt. Seit drei Jahren ist er Präsident der Ligue vaudoise in Lausanne und Redaktor der vierzehntäglich erscheinenden Zeitschrift «La Nation». |
Quelle: La Nation Nr. 2264. https://www.ligue-vaudoise.ch/nation/articles/5653, 18. Oktober 2024
(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)
1 «Double-majorité pour les bilatérales III», La Nation, 23. Februar 2024, Nr. 2247.
Steinhausen, 18. Oktober 2024
Unterschreiben Sie, damit die Schweiz auch in Zukunft erfolgreich ist!
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger
Die aktuellen Verhandlungen mit der EU zu einem Rahmenvertrag sehen eine engere institutionelle Anbindung an die EU vor. Wir sollen aktiv fortlaufend die Binnenmarkt-Gesetze der EU übernehmen. Wenn wir dem Folge leisten, setzen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit und unser einzigartiges direkt- demokratisches Erfolgsmodell aufs Spiel.
Solch weitreichende Entscheidungen gehören unbedingt von Volk und Ständen beurteilt. Das scheint logisch. Umso mehr erstaunt es, dass sich der Bundesrat in dieser Frage nicht einig ist. Und viel schlimmer noch, die Befürworter des Rahmenabkommens erachten ein Ständemehr zur Abstimmung völkerrechtlicher Verträge als undemokratisch «weil beim Ständemehr ein Innerrhoder 100-mal mehr Stimmkraft hat als eine Zürcherin. Das wäre doch nicht korrekt». So funktioniert aber unsere Schweiz. Volk und Stände überwachen die Parlamentarier – nicht umgekehrt.
Wir sind keine EU-Gegner, aber als Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Schweiz möchten wir genau deswegen Rechtssicherheit schaffen, damit Politiker nicht (potentiell an Volk und Ständen vorbei) die DNA unseres Landes verändern können. Wichtige Entscheidungen, die unsere Souveränität betreffen, müssen von Volk und Ständen bewilligt werden, egal ob mit der EU oder irgendeinem anderen Land.
Deshalb bitten wir Sie die Kompass-Initiative zu unterschreiben!
Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Kompass/Europa
Zur Homepage: https://kompasseuropa.ch
Zum Unterschriftenbogen:
https://kompasseuropa.ch/wp-content/uploads/2024/11/UBogen_Kompass-Initiative_DE_240917_MitAnleitung.pdf