Karin Keller-Sutter sollte mal nach Delaware reisen
Von Toni Brunner*
(18. Juni 2021) Es war während der letzten Finanzkrise 2008/2009. Die USA suchten Geld und neue Einnahmequellen und so griff der damalige US-Präsident Barack Obama das Bankkundengeheimnis und damit die Schweiz an.
Unser Ostschweizer Bundesrat Hans-Rudolf Merz sagte damals: «An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeissen!» Im Sommer 2009 lieferte die Grossbank UBS Tausende Kundendaten an die USA, das Bankkundengeheimnis war gefallen.
Obama hat der Schweiz das Fatca-Abkommen aufgezwungen. Seitdem müssen die Schweizer Banken alle Konten von Amerikanern rapportieren und hohe Steuern erheben. Und nicht nur das: Bei jeder Handänderung von Liegenschaften – zum Beispiel bei uns im Toggenburg – haben die involvierten Parteien ihrer Dorfbank diverse «amerikanische» Dokumente zu unterzeichnen. Die Amerikaner wollen sicher sein, dass an ihnen kein Geschäft vorbeigeht. Als ob es die Amerikaner etwas angehen würde, wenn bei uns in der Ostschweiz ein altes Bauernhaus unter Schweizer Landsleuten verkauft wird.
Die Finanzkrise ist vorbei, jetzt haben wir eine neue Krise. Die Coronakrise. Und die Amerikaner suchen wieder weltweit nach neuem Steuergeld. Nach Barack Obama ist mit Joe Biden wieder ein demokratischer Präsident federführend. Schliesslich müssen 1900 Milliarden für ein Hilfspaket finanziert werden und für einen «American Job Plan» werden weitere 2000 Milliarden benötigt. Weitere Milliardenpläne sind angekündigt. Die US-Regierung von Präsident Biden will zudem eine globale Mindeststeuer für Konzerne durchsetzen.
Donald Trump liess die Schweiz in Ruhe, doch der Wind dreht. Die Durchsetzung amerikanischer Steuergesetze und internationaler Abkommen hatte unter demokratischen Präsidenten immer schon Hochkonjunktur. Jetzt ist unsere Ostschweizer Bundesrätin, Justizministerin Karin Keller-Sutter, gefordert. Wenn die Amerikaner wieder neues Geld suchen, sprechen sie gerne von der Trockenlegung von sogenannten Steueroasen. Und nehmen die Schweiz ins Visier. Nicht weil wir eine Steueroase wären, ganz einfach, weil wir ein bedeutender Finanzplatz geblieben sind.
Ich empfehle Karin Keller-Sutter mal eine Dienstreise nach Delaware. Dort kann sie sehen, wie die Amerikaner ihre Steuergesetze durchsetzen, die sie gegenüber dem Ausland und insbesondere gegenüber der Schweiz aufgezwängt haben.
Delaware, der Heimatstaat von Joe Biden
Der Bundesstaat Delaware ist der Heimatstaat von Joe Biden. Der amerikanische Präsident war für Delaware von 1973 bis 2009 als US-Senator tätig und gewann dabei sechs Mal die Wiederwahl! Delaware zählt heute etwas über 976 000 Einwohner und ist der bevorzugte Hauptsitzstaat von zahlreichen US-Konzernen wie Bank of America, JPMorgan Chase, Amazon, Alphabet (Google), Facebook. Insgesamt sind in Delaware über eine Million Firmen registriert. Es gibt im Bundesstaat Delaware mehr Unternehmen als Einwohner. Alleine in einem einzigen Gebäude (Corporation Trust Center) sollen mehr als 300 000 Firmen registriert sein. Die Regierung selbst vertreibt Broschüren, welche alle Vorteile des Bundesstaats in Sachen Besteuerung bewerben. Von den Steuereinnahmen von 4525 Milliarden US-Dollar stammen rund 1,5 Milliarden Dollar aus dem Bereich der Unternehmen. Für Firmen, die sich in Delaware niederlassen, gelten spezielle Regelungen. Das Steuerklima ist milde, die Firmen geniessen besondere Privilegien.
Merken wir uns. Die Amerikaner werden bald vor unserer Türe stehen und weitere Forderungen an die Schweiz stellen. Neue Steuerabkommen, Harmonisierungen oder schärfere internationale Standards werden aufs Tapet kommen. Die Schweiz sollte bei der sich nächst bietenden Gelegenheit mehr Gelassenheit zeigen und nicht in vorauseilendem Gehorsam allen Forderungen und Druckversuchen nachkommen.
Unsere Justizministerin aus Wil SG hat gegenüber amerikanischen Forderungen Ostschweizer Gradlinigkeit und Hartnäckigkeit zu zeigen. «Schaut Amerikaner, wer nicht vor der eigenen Türe wischt, der braucht bei uns gar nicht erst anzuklopfen.»
Joe Biden ist ein ganz schlechtes Beispiel für weitergehende Forderungen, die letztlich bloss dazu dienen, den Finanzplatz Schweiz zu schwächen. Und Delaware einseitig zu stärken. Da kann man nur sagen: Zurück an den Absender.
Quelle: Thurgauer Zeitung vom 25. Mai 2021
* Toni Brunner ist ein Schweizer Politiker und Landwirt aus dem Toggenburg. Er wurde bei den Schweizer Parlamentswahlen 1995 im Alter von 21 Jahren in den Nationalrat gewählt. 2008 wurde Brunner zum Parteipräsidenten der Schweizerischen Volkspartei (SVP) gewählt, die er bis 2016 leitete. Nach 23 Jahren, Ende 2018, trat Brunner von seinem Nationalratsmandat zurück. |