«Sky Shield» und die Schweiz

Anbindung an die Nato wird vorangetrieben

von Jean-Paul Vuilleumier, Chefredaktor «Schweizer Standpunkt»

(8. November 2024) Bereits am 10. April 2024 hat der Schweizer Bundesrat den Beitritt zur «European Sky Shield Initiative ESSI» beschlossen und das Verteidigungsdepartement (VBS) ermächtigt, die Beitrittserklärung zu unterzeichnen.

Jean-Paul Vuilleumier.
(Bild zvg)

Am 17. Oktober 2024 hat der Schweizer Rüstungschef Urs Loher das offizielle Dokument dazu unterschrieben. – Volk und Kantone hatten keine Möglichkeit sich dazu zu äussern.

Mit diesem neuen Schritt der Annäherung an die Nato wird von unserem siebenköpfigen Regierungskollegium der weitere Abbau der Neutralität und der Souveränität unseres Landes zugelassen.

Der positive und verharmlosende Ton der bundesrätlichen Medienmitteilung vom 18. Oktober 2024 zum Beitritt der Schweiz zu einem zentralen europäischen Rüstungsvorhaben der Nato ist erschreckend. Lesen Sie selber:

«[…] Mit der Teilnahme an der European Sky Shield Initiative (ESSI) vergrössert die Schweiz internationale Kooperationsmöglichkeiten: ESSI ermöglicht eine bessere Koordination von Beschaffungsvorhaben, der Ausbildung sowie logistischer Aspekte im Bereich der bodengestützten Luftverteidigung (Bodluv). Im MoU [Memorandum of Understanding] werden die allgemeinen Bestimmungen festgelegt, nach denen die Mitgliedstaaten die Projekte und Programme für die kooperative Beschaffung von Bodluv-Systemen im Rahmen der ESSI durchführen und sich zu den Möglichkeiten in weiteren Zusammenarbeitsbereichen austauschen können. Als Teilnehmerstaat der ESSI kann die Schweiz nun im Rahmen des MoU für einzelne Projekte und Programme separate Programmvereinbarungen abschliessen. Im Vordergrund steht zunächst die boden-gestützte Luftverteidigung mittlerer Reichweite, künftig bestehen auch attraktive Zusammenarbeitsmöglichkeiten im Bereich der Luftvereidigung kürzerer und grösserer Reichweite.

ESSI ist vereinbar mit der Schweizer Neutralität
Durch die Unterzeichnung der Beitrittserklärung zum MoU entstehen keine Verpflichtungen. Auch nach der Unterzeichnung entscheidet die Schweiz frei darüber, wo und in welchem Ausmass sie sich an der ESSI beteiligt und welche Systeme sie beschafft. Wie auch schon im Zuge der Unterzeichnung der Absichtserklärung im Juli 2023, in der die Schweiz und Österreich ihre neutralitätsrechtlichen Vorbehalte in einer Zusatzerklärung abgebildet haben, hat die Schweiz auch bezüglich der Unterzeichnung des MoU ihre neutralitätsrechtlichen Vorbehalte zusätzlich in einer öffentlichen unilateralen Beitrittserklärung festgehalten. Diese verweist insbesondere auf die Suspendierungsklausel des MoU, die es der Schweiz erlaubt, sich aufgrund ihrer Neutralität aus der Kooperation zurückzuziehen, sollte ein Mitglied der Initiative Konfliktpartei eines internationalen bewaffneten Konflikts werden.»

Quelle: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-102847.html

Mit dieser Medienmitteilung versucht der Bundesrat der Öffentlichkeit unterzujubeln, dass die Schweiz mithilfe der Unterzeichnung von «neutralitätsrechtlichen Vorbehalten» wird frei entscheiden können, «wo und in welchem Ausmass» sie sich beim Milliarden-Projekt «Sky Shield» beteiligen will.

Wie kann es aber sein, dass in einem überstaatlichen militärischen Verbund von aktuell 15, in Zukunft 22 Nato- und EU-Staaten durch die Unterzeichnung einer Beitrittserklärung für unser Land «keine Verpflichtungen» entstehen und dass die Schweiz «frei entscheiden» wird, «wo und in welchem Ausmass» sie sich beteiligt, und welches Waffensystem sie beschaffen will?

Angesichts der Nachgiebigkeit unserer Landesregierung bei früherem finanziellen und wirtschaftlichen Druck von Washington und Brüssel – zum Beispiel der seit Februar 2022 lückenlosen Übernahme der Russland-Sanktionen – können diese Aussagen nur Augenwischerei sein.

Bei der ESSI handelt es sich – dies sei hier wiederholt – um ein europäisches Rüstungsprojekt der Nato. Die Schweiz ist nicht Mitglied der Nato, wird aber mit diesem Rüstungsvorhaben weiter eingebunden. Sollte ein europäischer Nato-Staat im Zuge der Auseinandersetzungen um die Ukraine Raketen nach Russland abfeuern, so würde Russland Sky Shield ausschalten wollen und damit würde auch die Schweiz ins Visier genommen. Mit dem Beitritt wird das Risiko, zur Zielscheibe zu werden, bewusst eingegangen.

Auch wenn der Bundesrat behauptet, die Neutralität sei nicht gefährdet, wird dies vielen Staaten nicht plausibel erscheinen. Der Bundesrat kann lange sagen: « Wir sind weiterhin ein neutraler Staat.» Fakt ist, dass die «New York Times» am 28. Februar 2022 meldete: «Die Schweiz hat ihre Neutralität aufgegeben.» In Grossbritannien, in Spanien, in Frankreich waren das die grossen Schlagzeilen. Wir können hundertmal deklarieren, wir seien noch neutral. Wenn dies in der internationalen Staatengemeinschaft nicht mehr so wahrgenommen wird, dann sind wir es nicht mehr.

Die Bekanntmachung und tatkräftige Unterstützung der eidgenössischen Volksinitiative «Wahrung der schweizerischen Neutralität» wird angesichts dieser Entwicklungen immer dringender. Bevölkerung, Parlamentarierinnen und Parlamentarier und verantwortungsvolle Medien können mit der Unterstützung dieses Volksbegehrens und der Verankerung seiner Ziele in der Bundesverfassung unser Land wieder auf den Kurs der Vernunft zurückbringen.

Zurück