Entdollarisierung
Die BRICS-Staaten entwickeln Alternativen zum US-dominierten Finanzsystem
von Tanupriya Singh, Autor bei «Peoples Despatch»
(25. April 2023) Ein hoher russischer Beamter deutete an, dass auf dem bevorstehenden BRICS-Gipfel in Südafrika ein neues Währungsprojekt angekündigt werden könnte. Die anderen Mitglieder der Allianz – Brasilien, China, Russland und Indien – haben bereits Schritte unternommen, um das von den USA dominierte globale Handels- und Finanzsystem zu umgehen.
In der vergangenen Woche gab der stellvertretende Vorsitzende der russischen Staatsduma, Alexander Babakow, am Rande des Wirtschaftsforums «Russisch-Indische Strategische Partnerschaft für Entwicklung und Wachstum» in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi bekannt, dass die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) an der Schaffung einer neuen Währung arbeiten.
Die Mitglieder des Blocks haben wichtige Schritte unternommen, um sich von dem von den USA dominierten internationalen Handels- und Finanzsystem zu lösen. «Der Übergang zu Abrechnungen in nationalen Währungen ist der erste Schritt. Der nächste Schritt besteht darin, in naher Zukunft eine digitale oder eine andere Form einer grundlegend neuen Währung in Umlauf zu bringen», sagte Babakov.
Er erklärte weiter, dass die «Bereitschaft zur Realisierung dieses Projekts» auf dem bevorstehenden BRICS-Gipfel im August in Durban, Südafrika, bekundet werden wird.
Auch wenn weitere Einzelheiten dieses bahnbrechenden Projekts noch nicht vollständig bekannt sind, so ist doch bereits jetzt klar, dass es von erheblicher Tragweite sein wird. Auf die derzeitigen BRICS-Länder entfallen bereits 40% der Weltbevölkerung und ein Viertel des weltweiten BIP. Mit dem Iran und Saudi-Arabien, die das formale Beitrittsverfahren eingeleitet haben, soll das Bündnis nun erweitert werden. Über 10 weitere Länder, darunter Ägypten, Algerien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Mexiko, Argentinien und Nigeria, haben ebenfalls Interesse an einem Beitritt bekundet.1
Babakov fügte hinzu, dass die neue Währung auf einer Strategie beruhen werde, die «nicht den Dollar oder den Euro verteidigt», und dass sie nicht nur an den Wert von Gold, sondern auch an «andere Produktgruppen, seltene Erden (Minerale) oder Boden» gekoppelt sein werde.
Der erste Teil dieses Prozesses, nämlich der Handel mit nationalen Währungen, ist bereits in vollem Gange. Am 29. März gaben China und Brasilien – die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt bzw. die grösste Volkswirtschaft Lateinamerikas – bekannt, dass sie den bilateralen Handel in ihren Landeswährungen, dem chinesischen Yuan (Einheit des Renminbi) und dem brasilianischen Reais, abwickeln und den US-Dollar umgehen werden.
China ist der grösste Handelspartner Brasiliens, wobei der bilaterale Handel im Jahr 2022 150 Milliarden US-Dollar erreichen soll. Chinas Währung, der Renminbi (RMB), ist inzwischen auch die zweitgrösste internationale Reservewährung Brasiliens.2
Im Januar erfolgte ein weiterer wichtiger Schritt weg vom US-amerikanischen Weltfinanzsystem in Form einer Vereinbarung zwischen dem Iran und Russland, ihre Interbanken-Nachrichtensysteme – SEPAM und SPFS – miteinander zu verbinden und das von den USA dominierte SWIFT-Bankkommunikations- und Überweisungssystem zu umgehen.
Der Iran ist im Rahmen der weitreichenden Sanktionen, die die USA seit 2018 gegen das Land verhängt haben, vom SWIFT-System ausgeschlossen. Auch mehrere russische Banken wurden nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs von SWIFT abgeschnitten.
Während die Schaffung eines alternativen Systems gegen die Dollar-Dominanz oder allgemeiner eine «monetäre Zusammenarbeit» angesichts der US-Dominanz schon seit Jahren unter den BRICS-Staaten diskutiert wurde,3 haben die von den USA und ihren Verbündeten gegen Russland verhängten pauschalen Sanktionen den Ländern einen weiteren Anstoss gegeben, in diese Richtung zu gehen.
« Nach der Beschlagnahmung von Reserven und Vermögenswerten von Ländern wie dem Iran, Venezuela und Afghanistan in Höhe von zig Milliarden Dollar haben die USA und die EU mit der Beschlagnahmung der russischen Reserven in Höhe von mehr als 300 Milliarden Dollar ein weltweites Alarmsignal ausgelöst, das die Dringlichkeit von Alternativen zur Vorherrschaft des Dollars bekräftigt», so Marco Fernandes, Forscher am Tricontinental Institute for Social Research, in der Global Times.4
Das Abkommen zwischen Russland und dem Iran würde die vom Westen verhängten Wirtschaftssanktionen umgehen und damit ein wichtiges Instrument untergraben, mit dem die USA versuchen, andere Länder unter Druck zu setzen und die eigene Hegemonie aufrechtzuerhalten – eine Tatsache, die auch ihren Regierungsvertretern nicht entgangen ist.
Dem Vorsitzenden der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, zufolge machen Rubel und Rial bereits über 60% der gegenseitigen Handelsabrechnungen zwischen Russland und Iran aus.5
Diese Länder sind nicht die einzigen,6 denn auch Russland und China arbeiten an der Vernetzung ihrer Bankkommunikationssysteme. Die USA haben jedoch gedroht, chinesische Banken aus SWIFT auszuschliessen, falls dies geschieht.
Nichtsdestotrotz haben sowohl Russland als auch China ihr Engagement bekräftigt, den bilateralen Handel in ihren nationalen Währungen voranzutreiben, und dies wurde auch auf ihrem gemeinsamen Gipfel im März bekräftigt:
«Wir sollten weiterhin die Abwicklung in nationalen Währungen fördern und die gegenseitige Präsenz von Finanz- und Bankenstrukturen auf den Märkten unserer Länder ausbauen. […] Derzeit erfolgen zwei Drittel der Zahlungen im Rahmen von Handelsabkommen zwischen unseren Ländern in Rubel und Yuan», sagte der russische Präsident Wladimir Putin.7
Er wies auch darauf hin, dass der Handel zwischen Russland und China im vergangenen Jahr um mehr als 30% gestiegen ist und im Jahr 2023 voraussichtlich ein Volumen von 200 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Putin sprach sich auch für die Verwendung des chinesischen Yuan bei Transaktionen zwischen Russland und seinen Partnern in Asien, Afrika und Lateinamerika aus – wo China bereits der grösste Handelspartner für viele dieser Länder ist.
Während der US-Dollar im internationalen Finanzsystem nach wie vor eine überragende Rolle spielt und auch als globale Reservewährung fungiert, hat die Verwendung des Yuan in den letzten Jahren zugenommen und macht inzwischen 7% des weltweiten Devisenhandels aus.8 Ausserdem ist er inzwischen die fünftwichtigste Zahlungs- und Reservewährung und die drittwichtigste bei der Abwicklung von Handelsgeschäften.
Die Vorherrschaft der USA wurde weiter in Frage gestellt, als die Öl produzierenden Länder, darunter der Iran und insbesondere Washingtons langjähriger Verbündeter Saudi-Arabien, ankündigten, dass sie den Verkauf von Öl in anderen Währungen als dem Dollar in Betracht ziehen würden.
Nach dem ersten Gipfeltreffen zwischen China und dem Golf-Kooperationsrat (GCC) im Jahr 2022 hatte China angekündigt, dass es weiterhin Rohöl und Flüssigerdgas (LNG) aus den GCC-Ländern importieren und den Handel mit Öl und Gas in Yuan abwickeln werde. Am 28. März tätigte China seinen ersten Kauf mit grenzüberschreitender Abrechnung in Yuan für LNG aus den VAE.9
Der wachsende Trend zur Suche nach Alternativen zur Verringerung der Dollarabhängigkeit, einschliesslich des Handels in lokalen Währungen, wird auch von regionalen Organisationen wie dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) erwogen.10
Anfang dieses Jahres schlugen Brasilien und Argentinien ausserdem vor, auf die Schaffung einer gemeinsamen Währung mit der Bezeichnung «SUR» hinzuarbeiten,11 um den regionalen Handel und Finanzaustausch zu fördern und gleichzeitig die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern.
Der BRICS-Block strebt nicht nur eine Abkehr von der Dollarisierung in Handels- und Finanzfragen an, sondern hat auch versucht, mit der Neuen Entwicklungsbank (NDB) eine Alternative zu den von den USA dominierten Bretton-Woods-Institutionen, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, zu schaffen.
Gegenwärtig sind neben den fünf BRICS-Ländern auch Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bangladesch Mitglieder der NDB.12
Einer der Gründe für die Gründung der NDB war laut Südafrikas Aussenministerin Naledi Pandor die Suche nach einer Alternative zur Dollar-basierten Zahlungsarchitektur:13 «Die derzeitigen Systeme bevorteilen sehr reiche Länder und sind eine echte Herausforderung für Länder wie uns, die Zahlungen in Dollar leisten müssen, was in unseren verschiedenen Währungen mehr kostet.»
Quelle: https://peoplesdispatch.org/2023/04/07/towards-de-dollarization-brics-advances-alternative-to-us-dominated-financial-system, 7. April 2023
(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)
3 https://infobrics.org/files/pdf/7.pdf
4 https://www.globaltimes.cn/page/202206/1268800.shtml
5 https://www.tehrantimes.com/news/481213/Rial-Ruble-share-exceeds-60-in-Iran-Russia-trade
6 https://thecradle.co/article-view/21245/the-big-stiff-russia-iran-dump-the-dollar
7 http://en.kremlin.ru/events/president/news/70748