«Zusammenarbeit und Entwicklung»

China – drittgrösster Handelspartner der Schweiz

Interview mit Generalkonsulin Chen Yun*

(6. Dezember 2024) (CH-S) Der «Schweizer Standpunkt» hatte die Gelegenheit die Generalkonsulin der Volksrepublik China, Frau Chen Yun, zum Verhältnis Schweiz–China zu befragen. Anlass war eine Einladung zur Feier des 75. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China im September.

Generalkonsulin Frau
Chen Yun (Bild zvg)

Die Schweiz anerkannte die Volksrepublik China als einer der ersten Staaten nach ihrer Gründung und bemüht sich seitdem um gute Beziehungen. Ein Meilenstein ist das Freihandelsabkommen zwischen beiden Staaten, das seit 2014 in Kraft ist. Gerade in geopolitisch anspruchsvollen Zeiten gilt es, ein breites Netz an positiven Beziehungen zu pflegen.

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Schweizer Standpunkt: Sehr geehrte Frau Generalkonsulin Chen Yun wir freuen uns, dass Sie sich Zeit nehmen einige Fragen zu beantworten. Von der Schweiz aus gesehen, stellt man fest: Hunderte Millionen Chinesen leben heute in Wohlstand. Vor wenigen Jahrzehnten wäre das noch undenkbar gewesen. Welches Erfolgsrezept gilt für Chinas rasante wirtschaftliche Entwicklung?

Generalkonsulin Chen Yun: Chinas historische Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wurden von hunderten Millionen Chinesinnen und Chinesen durch harte Arbeit und Fleiss erreicht. Die Kommunistische Partei Chinas hat dabei eine starke Führungsrolle gespielt. Die Reform und die Öffnung sind bedeutend für das heutige China, um den Anschluss an die Zeit zu finden. 1978 beschloss China, die Reform- und Öffnungspolitik durchzuführen und den wirtschaftlichen Aufbau in den Mittelpunkt der nationalen Arbeit zu stellen.

China International Import Expo CIIE 2024 in Schanghai. (Bild zvg)

Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich China zur zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt, zum grössten Produktionsland, zum grössten Warenhandelsland und zum zweitgrössten Verbrauchermarkt entwickelt. Chinas Ranking im Globalen Innovationsindex liegt heute nahe an den Top 10 der Welt.

Gegenwärtig ist Chinas Wirtschaft von einer rasanten zu einer qualitativ hochwertigen Entwicklungsphase übergegangen. China setzt das Konzept der innovativen, koordinierten, grünen, offenen und durch Teilhabe gekennzeichneten Entwicklung ein, um die Entwicklung von Produktivkräften neuer Qualität zu beschleunigen.

Chinas sozialistische Marktwirtschaft, sein Megamarkt, sein komplettes industrielles System und seine grosse Zahl an hochqualifizierten Arbeitskräften und unternehmerischen Talenten sind vier grosse Vorteile, die günstige Voraussetzungen für Chinas anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung darstellen. Seit Beginn dieses Jahres macht Chinas Wirtschaft stabile Fortschritte, und ihre Erholung hat sich gefestigt sowie gestärkt. China wird weiterhin positive Beiträge zur Entwicklung der Weltwirtschaft leisten.

Welche Rolle spielt die Schweiz für die Volksrepublik China?

Die Schweiz liegt im Herzen Europas, und trotz der grossen Entfernung zwischen den beiden Ländern verbindet China und die Schweiz schon seit langem eine wertvolle Freundschaft. Die Schweiz war eines der ersten westlichen Länder, das die Volksrepublik China anerkannt und diplomatische Beziehungen zu ihr aufgenommen hat.

Die chinesisch-schweizerischen Beziehungen stehen in vielen Bereichen an der Spitze der chinesisch-europäischen Beziehungen, und beide Seiten haben 2016 eine innovative strategische Partnerschaft gegründet.

Der freundschaftliche Austausch und die für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Finanz, Bildung, Wissenschaft und Technologie sowie Kultur sind immer enger geworden und bringen den Menschen beider Länder spürbare Vorteile.

Im nächsten Jahr feiern wir das 75. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die Beziehungen zwischen China und der Schweiz sind ein Beispiel für Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Ländern unterschiedlicher Grösse und Systeme, und sie haben gemeinsam einen positiven Beitrag zum Weltfrieden, zur Entwicklung und zur globalen Governance geleistet. Wir freuen uns auf weitere Fortschritte in der chinesisch-schweizerischen Zusammenarbeit.

Wo sehen Sie weitere Perspektiven für den Handel zwischen China und der Schweiz?

China ist seit vielen Jahren der drittgrösste Handelspartner der Schweiz. Schweizer Unternehmen sind eng mit dem chinesischen Markt verbunden. Das Freihandelsabkommen zwischen China und der Schweiz, das seit 2014 in Kraft ist, ist das erste zwischen China und einem kontinentaleuropäischen Land geschlossene Freihandelsabkommen und wurde von beiden Seiten für seine positiven Ergebnisse bei der Förderung des bilateralen Handels mit Waren, Dienstleistungen und Investitionen in den letzten zehn Jahren anerkannt. Die beiden Länder haben offiziell Verhandlungen über die Erweiterung des Freihandelsabkommens aufgenommen.

Landwirtschaftliche Innovationen. (Bild zvg)

China und die Schweiz verfügen über starke wirtschaftliche Komplementaritäten und einen breiten Raum für die Zusammenarbeit, mit einem enormen Potenzial für sowohl in traditionellen als auch in aufstrebenden Branchen, wie der grünen Wirtschaft, der digitalen Wirtschaft, den Biowissenschaften und anderen Bereichen. China fördert weiterhin eine qualitativ hochwertige Entwicklung und eine Öffnung nach aussen auf hohem Niveau und bietet ausländischen Unternehmen zahlreiche Kooperations- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie ein optimiertes, transparentes und berechenbares Geschäftsumfeld für Investitionen und Tätigkeiten. Wir heissen Schweizer Unternehmen willkommen, die «Chance China» zu nutzen.

Es besuchen viele chinesische Touristen die Schweiz, was uns ausserordentlich freut. Auch China etabliert sich in Europa zunehmend als Reiseziel. Welches Reiseziel empfehlen Sie persönlich, um Ihr Land besser kennenzulernen?

Die Schweiz ist berühmt als der «Garten der Welt» und Schweizer Produkte sind auf der ganzen Welt bekannt. Bei chinesischen Touristen ist die Schweiz ein wichtiges Reiseziel. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres überstieg die Zahl der Ein- und Ausreisenden in China 440 Millionen, und viele chinesische Touristen sind auch schon in die Schweiz gereist.

Moderne Baumwollerntemaschine im Einsatz. (Bild zvg)

Gleichzeitig sind Chinas Weite, seine Geschichte und kulturelle Vielfalt auch bei ausländischen Touristen beliebt. In den ersten drei Quartalen sind mehr als 20 Millionen Ausländer ins Land gekommen, von denen fast 60% im Rahmen der verschiedenen visumfreien Massnahmen eingereist sind. Die moderne und internationale Seite Chinas zeigt sich in vielen Grossstädten und Küstenregionen wie Peking, Shanghai, Hongkong und Shenzhen, aber auch in den weiten zentralen und westlichen Regionen Chinas, die reich an vielfältigen und unverwechselbaren Naturlandschaften, regionalen Kulturen, Traditionen und Küchen sind.

Chinas Visumbefreiung für Schweizer Bürger ist in Kraft und wurde bis Ende 2025 verlängert. Ein visumfreier Aufenthalt in China ist neu für maximal 30 Tage möglich.1 Wir heissen Sie herzlich willkommen und freuen uns darauf, weitere Schweizer Freunde in China zu sehen.

Sehen Sie weitere Möglichkeiten den Kulturaustausch zwischen beiden Ländern zu verstärken?

Soweit ich weiss, ist der kulturelle Austausch zwischen China und der Schweiz sehr aktiv. Es ist schön zu sehen, dass sich viele Schweizerinnen und Schweizer für China interessieren und einige von ihnen Chinesisch lernen. Im nächsten Jahr jährt sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und der Schweiz zum 75. Mal. Beide Seiten bereiten sich gemeinsam auf das «China-Schweiz-Kultur- und Tourismusjahr» vor, das eine wichtige Gelegenheit bieten wird, den kulturellen Austausch zwischen den beiden Ländern weiter zu beleben.

Der Tourismus bietet zweifellos gute Möglichkeiten für die Menschen in beiden Ländern, sich zu treffen und auszutauschen. Bildungskooperation, künstlerischer Austausch, Sportveranstaltungen und der Austausch kultureller Aufführungen sind alles Formen, in denen Menschen unterschiedliche Kulturen miteinander teilen können.

Chinesisches Team beim Drachenbootrennen in Eglisau Juni 2024. (Bild zvg)

In diesem Sommer kam ein chinesisches Drachenboot-Team, das aus Dorfbewohnern bestand, in den Kanton Zürich, um am Drachenbootrennen Eglisau teilzunehmen. Dort lieferten sie sich mit den Schweizer Teams einen sehr spannenden und intensiven Wettkampf und förderten gleichzeitig interkulturelle Freundschaften mit ihren Schweizer Freunden.

Welche Ziele hat sich China für die nächsten Jahre gesteckt?

Chinas jahrzehntelange rasante Entwicklung hat eine solide Grundlage geschaffen, und die chinesische Wirtschaft ist in eine neue Entwicklungs- und Transformationsphase eingetreten. Wir fördern mit Nachdruck eine qualitativ hochwertige Entwicklung.

Im Juli dieses Jahres hielt die Kommunistische Partei Chinas die dritte Plenartagung des zwanzigsten Zentralkomitees ab, auf der ein systematischer Einsatz für die umfassende Vertiefung der Reformen und die Förderung der Modernisierung beschlossen wurde, mit dem übergeordneten Ziel, das System des Sozialismus chinesischer Prägung fortwährend zu vervollkommnen und weiterzuentwickeln sowie die Modernisierung unseres Regierungssystems und der Regierungsfähigkeit des Staates voranzutreiben. Die Plenartagung hat mehr als 300 spezifische Initiativen für umfassende Reformen in allen Bereichen vorgeschlagen, darunter die Vertiefung der Reform des Wirtschaftssystems, die Unterstützung umfassender Innovationen und die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Kultur, Lebensunterhalt der Menschen, Ökologie, Sicherheit usw., und plant, die vorgeschlagenen Reformaufgaben bis 2029 abzuschliessen. Einige politische Massnahmen wurden nacheinander bereits eingeführt.

Die Plenartagung vermittelte der Welt auch Chinas klare Haltung, die Reformen weiter zu vertiefen und sich für eine offene Weltwirtschaft einzusetzen, was zur Stabilität und Entwicklung der Weltwirtschaft beitragen wird.

Was halten Sie von den Versuchen einiger Medien, China als Feind darzustellen?

«Ein Mal sehen ist besser als hundert Mal hören». China ist ein offenes Land und wir heissen Freunde aus der ganzen Welt herzlich willkommen, in China zu reisen, zu arbeiten und zu leben. Seit Anfang dieses Jahres hat China die Liste der Länder, die einseitig visumfreien Zugang zu China gewährt bekommen, weiter erweitert und verschiedene Arten von visumfreiem Transit und damit verbundene Massnahmen zur Erleichterung der Ein- und Ausreise von Ausländern nach China eingeführt. Wie ich bereits erwähnt habe, sind viele Ausländer bereits spontan nach China gereist und haben festgestellt, dass das, was sie in China gesehen und gehört haben, völlig anders ist, als es in manchen Medien dargestellt wird.

In Bezug auf Politik und Konzepte verfolgt China eine unabhängige Aussenpolitik des Friedens und hält an dem Weg der friedlichen Entwicklung fest. «Harmonie trotz Unterschiede» und «Zusammenarbeit im gleichen Boot» sind wichtige Konzepte, die das chinesische Volk seit Tausenden von Jahren vertritt. China ist der Ansicht, dass die Menschheit eine Schicksalsgemeinschaft ist und sich zusammenschliessen sollte, um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen. Die chinesische Gesellschaft ist offen und tolerant und ihre Menschen sind herzlich sowie freundlich. Was China in die Welt bringt, ist Zusammenarbeit und gemeinsame Entwicklung.

Eine persönliche Frage: Haben Sie Orte in Zürich oder in der Schweiz, an denen Sie sich erholen können oder die sie besonders schön finden? Wie empfinden Sie die Unterschiede zwischen Chinesen und Schweizern? Was hat sie erstaunt, was hat Sie erfreut? Wann macht Ihnen Ihre Arbeit besonders Freude?

Es ist mir eine grosse Ehre, in dieser wunderschönen Stadt Zürich zu arbeiten und zu leben. Ich habe viel gewonnen: Ob in einer Stadt voller Geschichte und Vielfalt wie Zürich oder in einer ruhigen und gemütlichen ländlichen Gegend, die Schweiz zeigt ihren einzigartigen Stil und Charme. Ich bin sehr dankbar für die Gastfreundschaft, die ich von meinen Schweizer Freunden erhalte.

Es macht Freude, unterschiedliche Geschichten, Kulturen, Traditionen, Lebenswelten und Lebensstile kennenzulernen. Gleichzeitig habe ich festgestellt, dass die Schweizer und die Chinesen viele Eigenschaften miteinander teilen, wie zum Beispiel, dass sie sehr fleissig sind, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit schätzen und Wert auf Familie und Freunde legen. Diese Eindrücke von mir werden von vielen Schweizer Freunden geteilt. Es bereitet mir eine grosse Freude, in meiner Arbeit und auch in meiner Freizeit mit meinen Freunden einige der unterschiedlichen Dinge zwischen unseren beiden Ländern teilen zu können, die wir attraktiv finden und sogar lieben, und das Verständnis und die Freundschaft zwischen den Menschen unserer beiden Länder zu fördern.

Frau Generalkonsulin Chen Yun, wir bedanken uns für das Gespräch!
* Generalkonsulin Chen Yun (1974) wurde 2023 zur Generalkonsulin der Volksrepublik China in Zürich und für das Fürstentum Liechtenstein ernannt. Sie arbeitet seit 1996 unter anderem im Aussenministerium der Volksrepublik China, in der chinesischen Botschaft in der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, in der Islamischen Republik Afghanistan, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Republik Indonesien.

1 http://zurich.china-consulate.gov.cn/det/zytz/202411/t20241125_11532627.htm

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